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„Für mich ist die wertegebundene AWO heute leider nicht mehr erkennbar“

29.09.2022
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Potsdam
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Quelle: AWO Landesverband Brandenburg e. V.
Presseerklärung der Geschäftsführerin des AWO Landesverbandes Brandenburg e. V.
  • Erfolgreiche Entwicklung des Landesverbandes
  • Prüfmaßnahmen massiv blockiert und verhindert
  • Compliance-Beirat für die AWO Brandenburg und
  • Transparenzregister für Vorstände in der Wohlfahrt in Brandenburg gefordert

„Ich habe mich nach langer Überlegung dazu entschieden, zum 1. Januar 2023 mein Amt als Geschäftsführerin des AWO Landesverbandes Brandenburg e.V. niederzulegen.

Der Verband hat sich in den 15 Jahren sehr gut entwickelt: Er wird in der Öffentlichkeit, den politischen Gremien auf Landesebene und in Bezug auf Innovation, aktuelle Handlungserfordernisse und Bedarfe für die Lösung der Probleme der Menschen im Land wahrgenommen. Die Fachreferenten und MitarbeiterInnen in der Geschäftsstelle des Landesverbandes sind für ihre Expertise, Sachlichkeit und Fachlichkeit sowie für die ausgesprochene Professionalität bekannt und geschätzt.

Auslöser für meine Entscheidung ist, dass ordnungsgemäße Prüfmaßnahmen in AWO Kreisverbänden seit dem Frühjahr 2021 massiv blockiert und verhindert werden. Im Zuge dessen wurde auch versucht, durch Druck, Drohungen und Angriffe auf die Reputation der PrüferInnen, Compliance-Überprüfungen zu beeinflussen. Das ist nicht akzeptabel und nicht mit meinem Verständnis vereinbar, wie wir unser AWO Statut, unser Werte und die Compliance-Regeln der AWO leben sollten.

Ich empfehle dringend, für Manager und ehrenamtliche Vorstände in der Wohlfahrt in Brandenburg ein Transparenzregister einzurichten, so wie es für die Abgeordneten des Landtags gilt. Darüber hinaus empfehle ich der Arbeiterwohlfahrt dringend, ihren Governance-Kodex zu verschärfen. Der AWO in Brandenburg empfehle ich die Einrichtungen eines verbindlichen Compliance-Beirats, dessen Entscheidungen bindend sind.

Für mich ist die wertegebundene AWO – auch auf Bundesebene – heute leider nicht mehr erkennbar. Wenn diese nicht mehr den Mut, die Durchsetzungskraft und den Willen hat, sich an den eigenen Regularien zu orientieren, dann kann dies nicht mehr meine AWO sein.“

Hintergrund der Entscheidung

Seit 2008 bin ich Geschäftsführerin des AWO Landesverband Brandenburg e.V.. Für die haupt- und ehrenamtlichen MitarbeiterInnen in den Kreis-, Bezirks- und Regionalverbänden war der Landesverband stets eine feste Bank im Hinblick auf Aktualität, Professionalität und Verlässlichkeit.

Von Beginn an war es mir wichtig, das Ansehen der Arbeiterwohlfahrt im Hinblick auf die Grundwerte und ihre Umsetzung in den Vordergrund zu stellen. Als Mitglied in der Compliance-Kommission beim AWO-Bundesverband habe ich selbst über viele Jahre erlebt, wie Vorgänge in Mecklenburg, Hessen und Thüringen den Verband gebeutelt haben.

Leider musste ich schon 2009 erleben, wie ein großer Verband in Brandenburg die Transparenz-Regularien nicht akzeptieren wollte und sich gegen die Offenlegung von Beraterverträgen stemmte. Der AWO Bundesverband hat dies damals so hingenommen und damit akzeptiert, dass dieser Verband sich der Aufsicht des Landesverbandes entzieht.

Heute sind in diesem Verband einander nahestehende Angehörige im Vorstand und leitenden Funktionen tätig.

Im Februar 2021 hat sich ein ehrenamtlicher AWO Kreisvorsitzender mit der Frage an mich gewendet, ob die Tätigkeit einer Mutter im AWO Kreisvorstand Eberswalde, in der ihre Tochter die Geschäftsführerin war und ist, mit der Satzung der Arbeiterwohlfahrt und dem Governance-Kodex vereinbar ist. Selbstverständlich habe ich dies verneint. Nahestehende Personen in Aufsichtsgremium und leitender hauptamtlicher Funktion sind – nach meiner Rechtsauffassung und Überzeugung – nach den AWO-Regularien nicht zulässig und gehören sich einfach nicht. Als Verantwortungsträger in der ersten Reihe muss jede(r) selbst den Anschein von Interessenkonflikten vermeiden.

Weitere statuare Prüfungen in anderen Verbänden der AWO ergaben – neben einigen wirtschaftlichen Unstimmigkeiten – auch Anhaltspunkte für Fehlverhalten in Bezug auf Compliance-Regelungen. Zum Beispiel sind in einem großen Regionalverband neben dem Geschäftsführer auch seine Lebensgefährtin und sein Sohn als Fachbereichsleiter beschäftigt. Selbst, wenn das bekannt ist und ein Vorstand diesen Zustand billigt, ist jeglicher Anschein von Interessenkonflikten in der Geschäftsführung nicht mehr zu vermeiden. In Ziffer 3.2.4.d) fordert der AWO-Goverance-Kodex: „Es ist darauf zu achten, dass bereits der Anschein solcher Verhaltensweisen vermieden wird“.

In einem anderen Verband sind zwei Schwestern als Geschäftsführerin und Leiterin Controlling tätig. Auch hier geht es um die Frage: Sind Interessenkonflikte und selbst der Anschein von Interessenkonflikten überhaupt zu vermeiden? Wird hier so gehandelt, wie es der AWO-Governance-Kodex vorsieht? Aus der persönlichen Erfahrung kenne ich nicht wenige Kollegen in der AWO, die von sich aus neue Jobs gesucht haben. Nämlich weil im Rahmen ihrer gemeinsamen Tätigkeit bei der AWO persönliche Beziehungen entstanden sind.

Im Zuge der vom AWO Landesverband Brandenburg eingeleiteten Prüfverfahren, die das Verbandsstatut vorgibt versuchte man, die Organe der prüf- und aufsichtsberechtigten- und verpflichteten Gliederung mit Hilfe von Schiedsverfahren lahmzulegen und aus der Arbeiterwohlfahrt auszuschließen. Das Bundesvereinsgericht vermerkte dazu, dass die Durchführung von statutengemäßen Prüfungen nicht als Ausschließungsgrund angesehen werden könne. Übrigens werden diese Prüfungen nicht durch die Mitarbeiter des AWO Landesverbandes durchgeführt, sondern durch anerkannte Compliance-Experten, Anwälte und Wirtschaftsprüfer.

Da nun beide Versuche (Drohung und Schiedsverfahren) nicht erfolgreich waren, nahm man nunmehr den Weg über die Spaltung des Verbandes. Fachliche und tatsächliche Gründe waren zu keinem Zeitpunkt vernehmbar. Stattdessen sprach man von unbestimmten Begriffen wie „Willkür“, „Vertrauensverlust“ und „Gängelung“. Es war ernüchternd, zur Kenntnis zu nehmen, wie satzungsmäßige und statuare Rechte und Pflichten in einigen Teilen der Arbeiterwohlfahrt wahrgenommen werden.

Man kann sich hierbei die Frage stellen, aus welchem Grund Prüfungshandlungen massiv verhindert werden, wenn man sich nichts vorzuwerfen hat. Man kann sich auch die Frage stellen, warum plötzlich Vorhaltungen gegen einen fachlich einwandfrei arbeitenden Landesverband erhoben werden, die keinerlei Begründung tragen.

Im Ergebnis ist eines festzustellen: Prüfungen sind anstrengend. Prüfungen sind sicher auch unangenehm. Sie können Fehlverhalten zu Tage fördern, aber auch Bestätigung guter Leistung und korrekten Verhaltens sein.

Was aber soll die Prüfinstanz denken, wenn Prüfmaßnahmen massiv blockiert und verhindert werden, die PrüferInnen bedroht und blockiert werden und am Ende über die Zerschlagung eines Landesverbandes diejenigen, die Anlass zur Prüfung gegeben haben, sich durch Druck und Drohungen der Prüfung entziehen?

Wenn hier die eigentlich erfahrene und wertegebundene AWO – auch auf Bundesebene – für mich nicht mehr erkennbar ist und nicht mehr den Mut, die Durchsetzungskraft und den Willen hat, sich an ihren eigenen Regularien zu orientieren, dann kann dies nicht mehr meine AWO sein. Ich kann sie auch nicht überall im Land allein auf diesen Pfad bringen, wenn die ehrenamtlichen Vorstände in den Kreis-, Bezirks- und Regionalverbänden (darunter politische Verantwortungsträger) hier nicht unterstützen.

Ich werde daher zum 1.1.2023 mein Amt als Geschäftsführerin des AWO Landesverbandes Brandenburg e.V. niederlegen.

Da mehrfach versucht wurde, mich mit Offenlegung meines Gehalt unter Druck zu setzen, würde ich die Empfehlung aussprechen, für die Manager und ehrenamtlichen Vorstände in der Wohlfahrt im Brandenburg ein Transparenzregister, wie es die Abgeordneten des Landtags haben, anzulegen. Darüber hinaus empfehle ich der Arbeiterwohlfahrt dringend, ihren Governance-Kodex zu verschärfen. Es muss verhindert werden, dass ehrenamtliche Vorstände in die schwierige Situation kommen, in die Verhältnisse von Familien einzuwirken, weil dort einfachste Compliance-Regeln übergangen und überdehnt werden.

Zudem empfehle ich der AWO einen unabhängigen Compliance-Beirat, der Verwandtschaftliche Beziehungen, Interessenkonflikte im Lichte des Governance-Kodex zu prüfen.