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Pflege in Not in Brandenburg: Bewohner_innen von Pflegeeinrichtungen tragen allein die Lasten angemessener und wertschätzender Löhne

06.12.2017
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Quelle: AWO Landesverband Brandenburg e. V.
AWO Landesverband Brandenburg e.V. und Tarifgemeinschaft der Arbeiterwohlfahrt Brandenburg fordern Politik zum Handeln auf

Die Tätigkeit in der Pflege ist nicht nur von hohen fachlichen Anforderungen geprägt, sie ist auch körperlich und emotional anspruchsvoll. Um die Arbeit der Pflegekräfte angemessen zu entlohnen, haben sich die Verbände der Arbeiterwohlfahrt im Land Brandenburg zu der Tarifgemeinschaft der Arbeiterwohlfahrt Brandenburg zusammengeschlossen, um gemeinsam mit der Gewerkschaft ver.di zeitgemäße Tarifverträge auszuhandeln, die gute und faire Löhne beinhalten. Nach langjährigen Verhandlungen kam es im September 2017 zu einer gemeinsamen Einigung, wonach ab Februar 2018 ein neuer Entgelt-Tarifvertrag gelten soll.

Der neue Entgelt-Tarifvertrag bildet nun eine Grundlage, dem stets wachsenden Wettbewerb um Mitarbeiter_innen mit merklich gesteigerten Löhnen und angemessenen Rahmenbedingungen begegnen zu können. Doch zu welchem Preis?

Die Vorsitzende der Tarifgemeinschaft der Arbeiterwohlfahrt Brandenburg Anne Baaske erklärt dazu: „Die derzeitige Pflegeversicherung hält lediglich einen festen Zuschussbetrag für die Versicherten bereit. Das bedeutet, dass sich der Betrag, den die Versicherten im Pflegefall erhalten, nicht an steigende Kosten für Pflege und Unterkunft anpasst. Folge ist eine zunehmende finanzielle Mehrbelastung der Betroffenen mit dem Ergebnis der Altersarmut und der Inanspruchnahme von Sozialhilfe. In diesem Zusammenhang ist Pflegebedürftigkeit ein Alters-Risiko geworden.“.

Kati Karney, stellvertretende Vorsitzende der Tarifgemeinschaft der Arbeiterwohlfahrt Brandenburg und Personalleiterin des AWO Bezirksverbandes Brandenburg Ost e.V., erläutert: „Das Konstrukt der Pflegeversicherung hat sich seit Inkrafttreten 1995 trotz mehrfacher Verbesserungen und Anpassungen im Kern nicht den tatsächlichen Bedarfen der Bevölkerung (steigender Anteil von Menschen mit Pflegebedarf, steigende Marktpreise, Mangel an Pflegekräften) angepasst. Wir halten es gesellschaftlich und sozialpolitisch für zwingend erforderlich, dass die gesetzliche Pflegeversicherung zu einer echten ‚Pflegeteilversicherung‘ weiterentwickelt wird. Wir wissen, dass dies mit Kosten für die Versicherten verbunden sein wird, glauben aber, dass es angesichts möglicher Belastungen im Rentenalter besser ist, diese finanziellen Belastungen eines erhöhten Beitrags für die gesetzliche Pflegeversicherung auf das Erwerbsleben zu verteilen.“.

Aus diesem Grund werden die Verbände der Arbeiterwohlfahrt Brandenburg gemeinsam mit den Betroffenen, Angehörigen und Pflegekräften eine Postkarten-Kampagne starten, die sich sowohl an den Deutschen Bundestag als auch die Landesregierung Brandenburg und die Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung richtet. Pflege ist ein gesellschaftliches Thema und muss aus der Solidargemeinschaft gemeinsam mit jedem einzelnen Versicherten finanziert werden.

Hintergrundinformationen

Schon heute kommen auf 100 freie Altenpflegestellen nur noch 32 frei zur Verfügung stehende Fachkräfte. Die durchschnittliche Zeitdauer zur Besetzung freier Stellen beträgt bereits über 6 Monate (vgl. Fachkräfteindex der Bundesagentur für Arbeit 2017). Die Brandenburger Fachkräftestudie Pflege aus dem Jahr 2014 stellte bereits für das Jahr 2009 einen Mehrpersonalbedarf in der Pflege von ca. 11.400 Beschäftigten fest. Dieser Bedarf wird auch angesichts der weiter ansteigenden Zahl von Menschen mit Pflegebedürftigkeit im Land Brandenburg bis 2030 (plus: 70%) auf rund 23.600 Pflegekräfte wachsen (vgl. Behrens et al. 2014).

Folge des Mangels an Pflege(fach)kräften ist ein sehr angespannter Personalmarkt mit stark ausgeprägtem Wettbewerb um Pflegekräfte. Kurzfristige Engpasslösungen bei der Versorgung der Menschen mit Pflegebedarf sind Leasing- und Honorarkräfte, die im Vergleich zu den regulären Personalkosten einen finanziellen Mehraufwand von mehr als 150% mit sich bringen. In der stationären Versorgung können nicht alle Plätze belegt werden, da nicht ausreichend Pflegekräfte vorhanden sind. Mitunter wurde in unserem Verband eine Einrichtung mit 141 Plätzen auf 82 Plätze angepasst. Auch ambulante Pflegedienste in Berlin und Brandenburg können kaum noch Neukunden versorgen, da die Pflegekräfte nicht in ausreichender Zahl vorhanden sind (der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) berichtete am 17.03.2017). In diesem Zusammenhang ist Pflegebedürftigkeit ein Lebensrisiko geworden, welches personell nicht mehr ausreichend abgesichert werden kann!

Weiterführend werden die Verbände der Arbeiterwohlfahrt Brandenburg einen Forderungskatalog an die Adressaten der Sozialpolitik überreichen, welcher neben der Forderung einer nachhaltigen Änderung der Pflegeversicherung folgende Schwerpunkte beinhalten soll:

flächendeckende, angemessene Entlohnung der Pflegekräfte und Abbau von Wettbewerbsverzerrungen durch Honorarkräfte und Leasingagenturen:

Ein Wettbewerb in der Pflegebranche darf nicht über Löhne, sondern über die Pflegequalität gesteuert werden.

Übernahme der Kosten für Behandlungspflege durch die Krankenversicherung:

Im Gegensatz zu Versicherten im häuslichen Versorgungsbereich erhalten die in stationären Pflegeeinrichtungen versorgten Menschen keine Leistungen der Krankenversicherungen bei behandlungspflegerischen Maßnahmen.

Neuregelung der Ausbildungsumlage im Land Brandenburg:

Ausbildung als nachhaltige Maßnahme gegen den Personalnotstand in der Pflege wird mit dem bisherigen Umlageverfahren lediglich von den Betroffenen direkt finanziert. Der notwendige Ausbau und die Förderung der Ausbildung in der Pflege und die damit einhergehenden Kosten dürfen nicht nur allein von Kunden von Pflegeeinrichtungen getragen werden. Die Kosten müssen hierbei auf weitere Akteure wie das Land, die Kostenträger der sozialen Pflegeversicherung, die Leistungserbringer der sozialen Pflege- und Krankenversicherung verteilt werden.