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Verhandlungsergebnis zu den Hartz IV Regelsätzen - Zweifel bleiben

22.02.2011 Neun Wochen haben die Verhandlungspartner um einen Kompromiss gerungen, am Sonntag ist nun eine Entscheidung über die Hartz IV Sätze und weitere Neuerungen wie etwa das Bildungspaket oder branchenspezifische Mindestlöhne gefallen. Doch trotz des gemeinsam ausgehandelten Kompromisses fallen die Bewertungen des letztlich Erreichten unterschiedlich aus. 

Wichtige Verhandlungsergebnisse im Überblick

Während Angela Merkel (CDU) einen „geradezu historischen Schritt“ vollzogen sieht und laut Ursula von der Leyen (CDU) sozialpolitische Geschichte geschrieben worden ist, äußerte sich Manuela Schwesig von der SPD verhaltener. Das Ergebnis könne sich zwar angesichts der verfahrenen Situation sehen lassen, wenn die CDU aber „auf ihrer juristischen Meinung beharrt, dann muss sie da auch die Verantwortung übernehmen, wenn es das Verfassungsgericht es noch einmal anders entscheidet.“ Die Berechnung und die Höhe des Regelsatzes war lange ein unüberbrückbares Hindernis in den Verhandlungen. Der neu berechnete und zum 01. Januar 2011 um 5 Euro erhöhte Regelsatz war von der Koalition als verfassungskonform berechnet und daher nicht verhandelbar bezeichnet worden.

Was bedeutet das Verhandlungsergebnis nun aber für die Betroffenen? Hier die wichtigsten Punkte des Kompromisses:

Für Arbeitnehmer: Mindestlöhne für 1,2 Millionen Beschäftigte in der Zeitarbeit, im Sicherheitsgewerbe und in der Weiterbildungsbranche wurden vereinbart. Allerdings konnte sich die SPD mit ihrer Forderung nach einer Equal-Pay Regelung (gleicher Lohn für gleiche Arbeit bereits nach einem Monat) in der Leiharbeit nicht gegen CDU/CSU und FDP durchsetzen.

Für Arbeitslose: Das Arbeitslosengeld II steigt rückwirkend ab 1. Januar 2011 um fünf Euro und wird ab 1. Januar 2012 um weitere drei Euro steigen. Dazu kommt noch der Inflationsausgleich. Dies bedeutet, dass am 01. April 2011 der erhöhte Betrag von 364 Euro plus einmalig 15 Euro für die vergangenen Monate rückwirkend ausgezahlt wird.  Ebenfalls neu: zukünftig ist die Anpassung der Regelsätze an die Lohn- und Preisentwicklung gekoppelt. Bisher hatten sich die Regelsätze an die Entwicklung der Renten ausgerichtet und waren entsprechend gering gestiegen.

Für Kinder: 500.000 bedürftige Kinder- und Jugendliche werden zusätzlich am Bildungspaket teilhaben. Dies sind Kinder von Geringverdienern und Minderjährige in Haushalten, die Kinderzuschlag oder Wohngeld erhalten. Weiterhin sollen sich zukünftig zusätzliche 3000 Sozialarbeiter um Kinder und Jugendliche an Schulen in sozialen Brennpunkten kümmern. Bedürftige Kinder erhalten ein kostenloses Mittagessen an Schulen und Horten. Das Volumen des Bildungsfonds beträgt statt der ursprünglich vorgesehen 640 Millionen nun 1,6 Milliarden Euro. Die Frage bleibt allerdings, wie bürokratisch die Beantragung gestaltet sein wird. Für drei Jahre befristet bis 2013 gibt der Bund außerdem 400 Millionen Euro aus. Diese Summe können die Kommunen für den Ausbau der Jugendsozialarbeit nutzen oder für Essen in Kinderhorten. Die Höhe der Regelsätze bei den Kindern ändert sich dagegen nicht.

Für die Kommunen: Der Bund übernimmt ohne Vorbedingungen schrittweise bis 2014 die Kosten der Grundsicherung im Alter. Die Kommunen werden dadurch ab 2014 um vier Milliarden Euro pro Jahr entlastet. Zusätzlich übernimmt der Bund die tatsächlichen Kosten des Bildungspaketes und der Mittagessen der bedürftigen Kinder.

Für die Ehrenamtlichen: die so genannte Übungsleiterpauschale, die zum Beispiel in Vereinen ehrenamtlich tätige Hartz-IV-Bezieher oder ehrenamtliche Bürgermeister von Dörfern bekommen, wird nicht mehr vom Regelsatz abgezogen. Allerdings nur bis zu einer Höhe von 175 Euro monatlich.

An den ursprünglichen Vorwürfen gegen die Bundesregierung und das Ministerium für Arbeit und Soziales hat sich aber auch durch die Einigung am Sonntag nichts geändert. Das Berechnungsmodell für den neuen Regelsatz ist auch nach dem jetzigen Hartz-IV-Kompromiss gleich geblieben. Dies bedeutet, dass Hartz-IV-Empfänger auch künftig nicht wissen, welche Grundlagen für die 364 Euro bestehen. Erneute Klagen sind daher zu erwarten – und möglicherweise muss sich auch das Bundesverfassungsgericht noch einmal zu Wort melden.
Abzuwarten ist zudem, wie das Bildungspaket durch die Kommunen umgesetzt werden wird. Um erfolgreich zu sein, muss der Verwaltungsaufwand möglichst gering und der Zugang für die Anspruchsberechtigten möglichst einfach gestaltet sein. Dies ist durchaus als Herausforderung anzusehen und wird zeigen, ob von den Neuregelungen tatsächlich diejenigen am meisten profitieren, auf die man während der Verhandlung doch das meiste Augenmerk gelegt hatte: die Kinder.